Martinito

Man sah dich mit gebrochener Hüfte am Gitter lehnend in der Tötungsstation. Das Wort schon, da wird einem schlecht.
Liebe Menschen nahmen dich mit, du wurdest operiert und dann sah ich dich. Irgendwas hattest du unter so vielen Galgos, was mich faszinierte an dir. Ich weiß es einfach nicht, warum du. Wir holten dich ab und fuhren Stunden zu uns nach Hause.

Irgendwie warst du nicht so wie die Hunde die wir davor hatten. Nie wollte ich einen neuen Hund haben und bereute es nicht diese Seelen kennengelernt zu haben. Aber du, du nahmst uns nicht war. Kein Wort drang zu dir durch. Deine Angst war für mich unerträglich und ich begriff das du einer warst der die Gewalt nicht wegstecken konnte. Der Menschen kein Vertrauen entgegen bringen kann, so wie mancher Hund der Schlimmes erlebte.

Wenn man mit dir rausging, war das danach als wenn man im Fitnessstudio Gewichte gestemmt hat. Keine Worte oder Gesten erreichten dich. Viele Nachbarn kannten unseren Galgo Pérro, der vor dir da war. Viele schüttelten den Kopf, andere fragten wieso wir uns das antun. Für sie sahst du auch nicht schön aus und gingst zu niemand hin. Ein Fremder sagte einmal über dich: „Den müsste man erschießen so wie der aussieht“ (sagt der nie wieder).

Ja, warum tut man sich sowas an? Ich kann nicht wieder gut machen was andere Menschen kaputt gemacht haben. Meine Antwort war immer, weil er mein Martinito ist. Weil er mich – uns liebt wenn wir nicht draußen sind. Weil er so zärtlich ist beim schmusen, weil er Luftsprünge macht wenn wir nach Hause kommen, weil er zuhört. Es gäbe noch viele „weil“….

Viele Kollegen fragen nach dir mein Martinito, wann ich dich wieder ins Büro mitbringe, war doch Pérro ihr Maskottchen gewesen. 24 Stunden zusammen, traumhaft. Einmal warst du mit, ich glaube nie wieder. Meine beiden Bildschirme hättest du beinah vom Tisch gerissen, als dein Feind Mensch durch die Tür kam.

Ja Martinito, du passt nicht in unser Leben, sagt ich einmal voller Schmerz. Nun lebst du seit fast vier Jahren bei uns. Nie hätte ich dich wieder zurückgeben können. Für mich wäre es ein Verrat an dir gewesen. Und da ist wieder das „weil“, weil du uns liebst und du uns jeden Tag zeigst, ohne euch kann ich nicht. So wie es uns mit dir eben geht.

Inzwischen lässt du dich (nach über drei Jahren) von sehr wenigen Menschen anfassen und die sind so glücklich darüber, dass ich jetzt frage ob sie nun verstehen können warum wir uns das antaten. Die Runden sind jetzt nicht schlecht. Wenn Menschen kommen drehst du dich nicht mehr um dich selbst oder suchst nach dem Erdloch. Seit einiger Zeit stellst du dich schutzsuchend neben mich und wartest bis die „Gefahr Mensch“ vorbei ist.

Ich erreich dich jetzt mit Worten und es macht mich stolz dass du anfängst mir zu vertrauen und nicht in deine alte kaputte Welt flüchten willst. Und läufst du ohne Leine und Menschen kommen, entfernst du dich nur so weit wie ich es sage. Dein Vertrauen auch hier macht mich unbeschreiblich glücklich.

All diese Sorgen, Kummer, Ängste und die vielen Tränen waren es Wert um dich zu kämpfen. Wenn du neben mir lagst und mich fragend anschautest wenn ich weinte um dich, ja es war
und ist es mir wert.

Katrin an Martinito